Stephen

Mein Blick fiel auf ihren Rücken. Die Haut über dem rechten Schulterblatt, bedeckt von einer schwarzen Schicht, wie Ruß, durchbrochen von zarten Linien, die rosa hervorschimmerten.
Vorsichtig berührte ich eine der Linien und folgte ihr bis zur nächsten. Linien, geschwungen, gezackt, welche sich vor meinen Augen zu Buchstaben formten. Dann legte ich meine Hand auf ihre Haut und versuchte, die schwarze Schicht zu entfernen.
Ich glaube, es war das Unglaublichste, was ich bisher gesehen hatte. Kaum vorstellbar, wozu ein Mensch fähig sein kann, dachte ich in diesem Moment.
Unter dem Ruß vereinten sich die Buchstaben zu Wörtern mit einer Bedeutung, die mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ.
Ich nahm sie in den Arm.
Stephens Dienerin. So stand es auf ihr. Ich begann zu weinen.
Stephen hatte ihr ihre Bestimmung mit einem Messer in den Rücken geritzt.
Ich ließ sie los und schlug mir meine mit Ruß verschmierten Hände vors Gesicht. Laut schluchzend ging ich zu Bett. Ein letztes Mal sah ich zu ihr hinüber. Sie stand noch immer mitten im Zimmer, voller Demut und mit gesenktem Blick. Dann schlief ich ein.

Ich träumte von Stephen, seiner tiefen Stimme, die mich so verzaubern konnte, seinen Händen, die mich süßen Schmerz kosten ließen und den Stunden, die ich so still neben ihm verbrachte.
Am Morgen erwachte ich in dem Augenblick, als er seine große warme Hand auf meinen Rücken legte. Er stand neben meinem Bett - ihn umgab noch immer die Kälte dieses Wintertages - und weckte mich mit einer Zärtlichkeit, wie er es noch nie getan hatte.
Ist es erschreckend?
Ich war die Frau in der Nacht, denn ich bin Stephens Dienerin!

© by V.S. August 2001

Vor genau zwei Jahren entstanden die Zeilen zu Stephen. 
Gibt es ihn wirklich und ist das sein realer Name? Ja und nein! - Für viele Frauen existiert er und welchen Namen er sich gibt, das spielt keine Rolle. Aber Stephen steht für Dominanz.
Vor zwei Jahren: Ich habe geträumt. Verworren. Es war irgendwie beängstigend. Schauderhaft. Schön. Ewig brauche ich, bis sich aus den einzelnen kleinen Steinchen diese kurze Episode entsteht. Ein Traum im Traum!
Heute schaue ich meine Haut an und sehe die Zeichen auf ihr...

V.S. 27. August 2003