Erleben (Auszug)

I - Das Zimmer 

Ich wurde in diesen Raum geführt, warte hier schon seit einer geschlagenen Stunde, so scheint es mir jedenfalls, und nichts ist bisher passiert. Ich sitze, nein ich muß knien, hier auf dem weichen Teppichboden und offen nach oben liegen meine Hände auf meinen Schenkeln. Ich solle mein Haupt etwas nach unten neigen, demütig zu Boden blicken, befahl mir jener, der mich hierher gebracht hatte, bevor er das Zimmer verließ.
Wie lange ist das schon her?
Da ich sicher von ihm beobachtet werde, so denke ich zumindest, wagte ich vorhin nur einmal meinen Blick zu erheben, um zu sehen, wo ich bin. 
Der Raum ist groß, ausgelegt mit diesem Teppich, an der Wand hängen ein paar Bilder, vor den Fenstern wundervolle Gardinen mit samtenen Stores, an der einen Wand steht ein großes rustikales Bett, in der Mitte ein großer Sessel mit einem kleinen Tisch auf der eine kleine schwarze Truhe steht, so daß man meinen könnte, man würde sich in einer ganz normalen bürgerlichen Stube befinden. Doch hängen in so einer Stube keine Ketten an den Wänden, keine Lederbänder, Peitschen, unterschiedlich in Größe und Aussehen, und keine Stöcke, keine Gerten, wie in einem Pferdestall!

Und erst recht steht dort nicht so ein merkwürdiges Ungetüm, über dessen Sinn ich mir derzeit noch nicht so im Klaren bin und ihn jetzt auch lieber nicht wissen möchte, denn diese Unwissenheit verschafft mir so ein klein wenig mehr Ruhe.
Trotzdem, mich überkommt ein Schaudern. Ich schüttel mich und spüre wie sich die Gänsehaut kalt auf mir ausbreitet. 

Doch sie vergeht!
So knie ich hier schon bestimmt seit einer Stunde.
In Gedanken summe ich ein Lied vor mich hin, welches mir seit heute morgen nicht mehr aus dem Kopf ging und ab und an frage ich mich, was ich hier suche, verloren habe. 
Was suche ich hier?
Doch ich summe weiter, weil ich mir doch keine Gedanken machen solle, wie jener mir vorhin riet, ich solle mich doch lieber frei von ihnen machen, in mich gehen. Was denkt man, wenn man nicht denken soll?
Wieder das Lied... ich summe, gebe Acht, daß kein Laut über meine Lippen kommt. So ist es hier still, fast wie in einem Grab und nur manchmal höre ich von Draußen das Vorbeifahren der Autos, das Singen der Vögel, aber nur leise, ganz leise.Vom Flur her höre ich Schritte nahen, die Halt vor der Tür machen. Die Tür öffnet sich. Jener betritt den Raum, setzt sich vor mir in den breiten und mit Leder bezogenen Sessel. Er ist mir bekannt, sehr vertraut, ich kenne sein Gesicht, weiß, wie schön es ist, wenn es lächelt.
»Ab jetzt werde ich dich nicht mehr alleine lassen.«, erklärt er.
Er werde dies nicht mehr tun und würde es sich auch nicht wagen, denn ungebunden, im wahrsten Sinne des Wortes, würde ich ab heute nur noch sein, wenn ich mich außerhalb dieser Wände befände, und das nur rein körperlich gesehen, denn frei wäre ich nicht mehr. Er würde mich nie mehr alleine lassen, denn zu wertvoll sei ihm meine Anwesenheit. Zu wertvoll sei ein Leben und das wolle er nicht aufs Spiel setzen, wenn er mich alleine zurücklassen würde. Eine plötzliche Schwäche meinerseits, wenn ich alleine bin, gefesselt und hilflos, das sei das Schlimmste was passieren könnte.
Ich knie vor ihm und sehe, wie er aus der kleinen Truhe neben sich ein schwarzes Tuch herauszieht. Dann steht er auf, tritt hinter mich und verbindet mir die Augen. Es wird Nacht!
»Erhebe dich jetzt und dann fange langsam an, dich zu entkleiden. Laß die Sachen links neben dir fallen.«
So erhebe ich mich, wenn ich dies auch nur langsam kann, denn meine Glieder sind fast steif geworden. 
Ich beginne meine Bluse aufzuknöpfen, lasse sie neben mir fallen, dann den Rock... Einen Moment verharre ich, weil...
»Weiter!«, befiehlt er mir.
Dann öffne ich den BH, streife ihn ab, ziehe den Slip aus und will gerade mit den Strümpfen das gleiche tun als er sagt: »Nein, laß sie an, ich will dich so noch eine Weile betrachten.«
Auch wenn er mich nicht berührt, ich kann seine Blicke spüren, die an mir entlanggleiten und nicht einen Zentimeter auszulassen scheinen.
Dann steht er wieder hinter mir, zieht meine Arme zu sich und verbindet sie auf dem Rücken etwa in Höhe meiner Ellenbogen, so daß meine Brüste sich nach vorne recken. Ich fühle seine Hände, die sich um mich legen, die meine Knospen berühren, sie erst vorsichtig und dann hart ergreifen.
»Du bist vorhin ungehorsam gewesen!«, meint er in einem äußerst ernsten Ton, den ich so noch nie von ihm vernommen habe, daß ich vor Schreck zusammenzucke.
»Ich habe dich die ganze Zeit über beobachtet. Einmal hast du deinen Kopf erhoben...«
Er schiebt mich durch den Raum, vorsichtig, daß ich nicht stürze, dann legt er mich doch recht unsanft auf das Bett, mein Rücken ihm zugewandt. 
Ich brauche nicht zu raten, was jetzt folgt. Weil ich meinen Blick einmal erhoben habe - ich weiß, wird er mich jetzt strafen!
Unter dem Tuch kneife ich meine Augen zusammen, daß ich kleine Punkte vor mir sehe. Dann höre ich ihn, dann spüre ich ihn, den ersten Schlag, dessen Wucht mich beben läßt.
Es folgen vier weitere Schläge auf mein Hinterteil, bei denen ich ins Kissen beiße und in meinem Kopf hämmert es fortlaufend: Es ist doch nur ein Blick gewesen! 
Tränen benetzen das Tuch um meine Augen und mein Wimmern durchdringt das Kissen.

***
»Wie würdest Du Dir ein festliches Abendessen vorstellen?«
Ich liege neben ihm, schluchze, kann kaum reden und antworte: »Bei Kerzenschein, in der entsprechenden Garderobe, gemäß Ihren Wünschen und Vorstellungen...«
»Du liegst nackt auf dem Tisch, die Kerzen und das Essen stehen auf dir. Du wärmst das Essen zwischen deinen Schenkeln. Wie willst du dabei etwas essen?«
»Ich müßte gefüttert werden, da sonst der Tisch ins Wanken gerät.«
»Ja, du wirst aus meinem Mund essen. Würde dir das Spaß machen, Lust bereiten? Und wie wäre es, wenn wir plötzlich nicht mehr alleine sein würden?« 
»Es ist nicht an mir, darüber zu urteilen, ob ich daran Gefallen finden würde oder auch nicht.«
»Sehr gut!«, meint er und streichelt mich sanft. In finde meine Ruhe wieder und sehe mich sogar in Gedanken bei so einem festlichen Essen die Gäste bedienen. 
»Nur wenn es meinem Herren Freude bereitet, dann ist es gut.«
»Du bedienst die Gäste in Strümpfen mit Pumps. Die Brüste sind frei! An deinen Brüsten sind Pfeffer und Salz angebracht. Auf deinen Kopf ist ein Aschenbecher geschnallt. Die Füße sind natürlich mit einer kurzen Kette etwas zusammengebunden. Ein Handgelenk ist an einer Kette auf dem Rücken gebunden, so daß nur eine Hand frei ist. Du kannst Dich wegen des Aschenbechers nicht bücken...«
»...ich könnte etwas in die Knie gehen, denn es wäre doch nicht schicklich, wenn der jeweilige Gast jedesmal aufstehen müßte...«
Wir reden, phantasieren noch eine ganze Weile, solange, bis die Nacht anbricht, bis er sich meines Körpers dann wieder bemächtigt und das mit aller Macht.

Lachen und Weinen. 
Lust und Schmerz. 
Mut und Demut. 
Er und ich.
Tage und Stunden. 
Himmel und Hölle.
Alles erlebt und unwissend sein.

© by V.S. 1999